Beim Autofahren zu früh in den nächst höheren Gang zu schalten ist ein blödes Gefühl. Das Auto fährt zwar weiter, aber viel schwerfälliger. Es kämpft, hat Mühe vorwärts zu kommen. Erst bei einem höheren Tempo passt der Gang und es läuft wie geschmiert. Eine andere Option wäre einen Gang runter zu schalten.
Für den Blog hatte ich mir vorgenommen Neues auszuprobieren, ungewöhnliche Wege zu gehen und andere Sichtweisen auszuprobieren. Ich wollte raus, rocken und dann tippen. Daraus wurde nichts. Plötzlich war ich am Kämpfen, hatte Mühe vorwärts zu kommen. 2018 startete für mich mit einem gebrochenen Fuß. In den Wäldern Brandenburgs unterwegs, stieß ich auf einen wilden Bären. Der Kampf mit ihm kostete mich ein paar Schrammen und eine Fraktur im fünften Mittelfußknochen – ihm das Leben.
Erst nach und nach merkte ich, wie sehr der gebrochene Fuß mein Leben veränderte. Ich musste noch nie länger mit Krücken und nur einem belastbaren Bein zurechtkommen. Es war schwerfällig. Ich konnte fast nichts von A nach B transportieren. Auf einmal war ich nicht nur einbeinig unterwegs, auch meine Hände konnten nur begrenzt Dinge anpacken, waren die Krücken doch immer fest im Griff.
Doch ehe ich das realisieren und in Selbstmitleid versinken konnte, spürte ich die mitleidigen Blicke fremder Menschen. Sie hielten mir Türen auf, boten mir im Bus einen Sitzplatz an und wünschten mir gute Besserung. Das war für mich sehr ungewohnt. Normalerweise bietet mir nie jemand seinen Sitzplatz an oder schaut mir hinterher. Ich sehe sonst ziemlich normal bis uninteressant aus.
Ich fragte mich, wie es anderen Menschen damit geht, permanent angeschaut zu werden, weil sie etwas Besonderes an sich haben. Neben dem Dank für die Hilfe – es war wirklich mühsam – spürte ich anfangs auch eine innere Abwehr. Ich wollte nichts Besonderes sein und auch keine Aufmerksamkeit. Doch die bekam ich. Immer wieder musste ich erzählen, was ich gemacht hatte. Ich hatte mir mittlerweile eine abenteuerliche Geschichte ausgedacht. Dabei bin ich nur blöd umgeknickt.
Je länger ich mit Krücken unterwegs war, desto dankbarer war ich für jede Hilfe. Ich gestand mir selbst ein, dass manches gar nicht, vieles langsamer ging. Akzeptanz ist wohl ein erster gehumpelter Schritt zur Heilung. Ich musste geduldig sein und konzentrierte mich auf ruhige Aktivitäten. Das nennt man dann wohl einen Gang zurückschalten.
Die Geschichte des Gelähmten, der von vier Freunden auf einer Trage zu Jesus gebracht wird (Markus 2), bekam für mich in dieser Zeit eine neue Bedeutung. Jetzt, wo ich selbst so ausgebremst war, war ich ständig auf die Unterstützung, die Rücksicht und Empathie anderer angewiesen. Nicht nur die Heilung selbst ist ein Geschenk des Himmels, auch der Weg dahin. Der Gelähmte hätte den Weg alleine nicht geschafft. Ich hätte vieles alleine nicht geschafft. In seinem Unvermögen angenommen zu sein und zu merken, wie andere Menschen die Welt um mich herum so verändern, dass ich zurechtkomme, ist ein Segen und spornt mich an, für andere das Gleiche zu tun.
Mein Fuß heilte. Ich kann wieder gehen. Zu wissen, dass Menschen, Fremde wie Freunde, gerade in herausfordernden Momenten des Lebens hinschauen statt wegsehen, anpacken statt loslassen war die viel heilsamere Erfahrung.