Acht Brillen

So lange ich denken kann, sind Musik und tanzen ein Teil meines Lebens. Der Ententanz und die Polonaise beim Fasching im Kindergarten. Rick Astley’s Never gonna give you up, New Kids On The Block’s Step by Step oder The Right Stuff (ich kann mich einfach nicht entscheiden, welcher Song der Bessere ist) bei unseren ersten Partys in der sechsten Klasse. Gefolgt von den Toten Hosen, Dr. Alban, De La Soul, Run DMC, Kuschel Rock, den Spice Girls, Alanis Morissette, REM und Jamiroquai als wir dann so richtig unterwegs waren, um die Welt zu erobern.

Als Kind wollte ich immer gern Ballett tanzen, meine Eltern haben mich stattdessen zum Handball angemeldet. Lederball und schwarze Shorts statt Spitzenschuhe und pinker Tüll. (Meine eigenen drei Kinder tanzen mittlerweile alle Ballett – go figure. Vielleicht sollte ich sie mal fragen, ob sie gern Handball spielen würden…)

Ich liebe das Gefühl, das meinen Körper durchflutet, wenn ich tanze. Es ist ein Gefühl von Freiheit, von unbändiger Energie und lebensbejahender Freude, die meine Seele aufatmen lässt. Dabei ist es völlig egal, wie oder wo ich tanze. Der Moment und die Musik müssen stimmen.

Das erste Mal, als ich von dem Konzept gehört habe, dass Gott – die Dreieinigkeit – wie ein niemals endender Tanz ist, da war es, als hätte mir jemand Worte gegeben, um das Unbeschreibliche, das göttliche Geheimnis ein bisschen besser zu erfassen. Vater, Sohn und Heiliger Geist –  verwickelt in einen Tanz, bei dem es kein Anfang und kein Ende gibt, zu dem wir alle eingeladen sind, bei dem wir alle gleichermaßen miteinsteigen können. Das Spannende, Gott ist immer Tanz und Tänzer gleichermaßen. Die Inkarnation, immer eine Bewegung – Jesus, der vom Vater und vom Heiligen Geist gesendet wird, um uns mit in die göttliche Liebe hineinzunehmen, aus der wir einst entstanden sind (Joh.14,3).

Der Tanz des Lebens.
Leben in der Fülle.
Der Tanz, der jedem Menschen Identität und Heimat gibt.
Und wir mittendrin.

Ich weiß schon während ich diese Zeilen hier schreibe, dass es genügend Menschen gibt, denen nur bei dem bloßen Gedanken ans Tanzen kalte Schauer über den Rücken laufen.
Tanzen ist halt so eine Sache…

Der niederländische Theologe Henri Nouwen schreibt:
Wir neigen dazu uns vom Trauern und Tanzen fernzuhalten. Viel zu ängstlich, um zu weinen und viel zu schüchtern, um zu tanzen…so werden wir zu engstirnigen Nörglern, die keinen Schmerz mehr fühlen, aber auch keine wahre menschliche Freude…Während wir in einer Welt leben, die dem Bösen ausgesetzt ist, gehören wir dennoch Gott. Daher lasst uns trauern und lasst uns tanzen.

Es gibt wahrscheinlich vielerlei Gründe, warum Menschen sich nicht auf die Tanzfläche wagen und dennoch würde ich Nouwen recht geben, dass wir uns oftmals von Dingen abhalten lassen, weil wir zu schüchtern sind. Wir lassen uns abhalten, weil wir uns Sorgen darüber machen, was andere über uns denken könnten oder weil wir meinen unseren eigenen perfektionistischen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Frei nach dem Motto: Ich weiß, dass ich nicht gut genug bin, deshalb probiere ich es erst gar nicht. (Ich für meinen Teil, kenne diese Gedankengänge nur all zu gut.)

Aber was, wenn es beim Tanzen und der Dreieinigkeit überhaupt gar nicht darum geht?
Weder darum, was andere Menschen denken, noch, dass wir etwas besonders gut können müssen.

Was, wenn es einfach nur darum geht, vollkommen in dem Moment gegenwärtig zu sein –  mit dem wer wir sind, mit dem, was wir haben und was wir können?
Was, wenn wir Scham, Unsicherheit und Perfektionismus hinter uns lassen und uns einfach auf das ewige, niemals endende Lebenslied Gottes einlassen, das von Liebe unendlich, Neuanfang und Hoffnung spricht?
Was, wenn wir mit in diesen göttlichen Tanz mit einsteigen?

Ich könnte mir vorstellen, dass dann das Leben ein bisschen reicher, unsere Seelen ein kleines bisschen leichter und unbeschwerter werden und wir gemeinsam uns gegenseitig Mut machen könnten die Welt zu verändern, in dem wir uns zurufen:

Tanzt! Tanzt! Vor allem aus der Reihe.