Acht Brillen

Es ist schon ein irres Gefühl: Da habe ich ein Stück Baumstamm in der Hand. Ca. 30 cm lang, Durchmesser 25 cm und Gewicht?! Das kann ich nicht genau sagen. Nachdem ich heute schon einige solcher Hölzer bewegt habe, fühlen sich meine Arme schwer an. Und noch viel schwerer ist dieser Baumstamm. Ich komme ins Nachdenken.

Heute Morgen ging es früh aus dem Bett. Eine unruhige Nacht in einem fremden Bett. Chaos am Frühstückstisch geprägt von einer älteren Dame, die mir noch den fünften Kaffee und das dritte Brötchen aufdrängen will. Dazu ständiges Gewusel wegen irgendwelchem Kleinkram. Endlich kommen wir los. 4° über Null und leicht bewölkt - schöner Frühlingsmorgen. Mein Schwager hat die Motorsäge, ich die Schubkarre. So geht’s in den familieneigenen Wald. Seit unzähligen Jahren wachsen hier die Bäume und heute wird „geerntet“. Meine Aufgabe besteht zum großen Teil darin die Baumstämme zum Waldweg, wo der Anhänger steht, zu bewegen. Trotz der Kälte bin ich am Schwitzen.

Sinnvoll und naturschonend ausgesucht kracht der erste Baum auf die Erde. Gegen Mittag ist der Anhänger voll beladen auf dem Hof und wir dürfen uns am reich gedeckten Tisch der Oma und Tante stärken. Das Gewusel geht weiter. Mir ist warm. Diesmal liegt es an den hohen Temperaturen in der Stube.

Die Baumstämme runter vom Anhänger in die Schubkarre. In den Schuppen fahren. Aus der Schubkarre in die Ecke. Mehrfach fahren wir diesen Weg. Dann zurück in den Wald und die nächste Anhängerladung aussuchen, sägen, tragen, schwitzen. Mir ist warm.

Nun ist Feierabend. Wir sitzen am Abendbrotstisch. Das Gewusel geht weiter. Trotz der Arbeit habe ich keinen Hunger. Viel zu reichhaltig waren die Mahlzeiten und die Pausenbrote und Kaffeeplätzchen im Wald. Ich brauche etwas Ruhe und gehe in den Schuppen. Eine Menge Holz liegt da. Kalte Tage so wie heute einer ist, können kommen. Es fängt an zu regnen.

Das Holz reizt mich. Ich nehme mir einen Baumstamm. Und lege ich ihn auf den Hauklotz. Ein kräftiger Schlag mit der Axt und zwei große Teile fallen auf den Boden. Wieder hebe ich sie auf und teile sie weitere Male. Die Axt geht durch als sei es Butter. Ein weiterer Baumstamm. Und dann noch einer. Ich lese das Holz und stelle es so hin, dass die Axt genau in den Riss trifft. Knarks und wieder zwei Teile. Mir wird warm.

Knapp 40 Jahre ist der Baum an einem Ort gewachsen. Überstand Wind und Kälte. Nutzte Sonne und Regen. Nun wird er trocknen und in drei Jahren wird er mich wieder wärmen. Ich freue mich auf die ruhigen Stunden vor dem Ofen. Bei der Familie oder auch bald vor dem eigenen.

All die Sorgen und die Anstrengung der letzten Tage kann ich fallen lassen. Wie die Axt ins Holz. Die Energie die darin steckt teilt die Klötze vor mir. Es tut gut. Trotz Müdigkeit und schweren Armen mache ich weiter.

Und während die Axt Stamm für Stamm zerlegt komme ich ins Nachdenken: Mir wird warm. Äußerlich, aber auch innerlich. In all dem was der Tag mit sich brachte entdecke ich Gott. Der liebevollen und doch etwas zu fürsorglichen Oma, dem Waldleben und –sterben, in der Gemeinschaft im Wald, im mühseligen Hin- und Hertragen, im Stapeln und vor allem im Holzhacken: Hochheben. Fallenlassen. Anstrengen. Nachdenken. Loslassen. Vorfreude auf das Kaminfeuer. Gott ist dabei.

Die Axt kracht wieder in den Stamm. Holz macht mehrfach warm.