Alles begann mit einer Krone. So einer aus einem einfachen Din A4 Papier im Zickzack-geschnittenen und anschließend zusammen geklebten weißen Papierkrone.
Für ein fünfjähriges Mädchen in den 80ern ein unendlich großer Schatz.
(Wie bastelt man so ein Ding bloß?!)
Wir waren in unterschiedlichen Vorschulgruppen. Der Korridor war lang. Fünf Räume – einer neben dem anderen. Ihrer war ganz am Ende. Die Türen standen sperrangelweit offen, sie saß an einem runden Basteltisch, Krone in der Hand und winkte mich herein. Ich wollte eigentlich nur vorbei gehen. Ich kannte sie doch gar nicht.
Ihre Gruppe war am Ende desselben Korridors, hätte aber gefühlt genauso gut auf einem anderen Planeten sein können – alles dort war so anders, fremd und unvertraut.
Die Krone strahlte in ihrem Papierweiß mit dem Mädchen, das sie gebastelt hatte, um die Wette.
Den fremden Gruppenraum zu betreten und mich von einem unbekannten Kind, beschenken zu lassen, war definitiv eine der besten Entscheidungen meines Lebens, denn an jenem Tag verließ ich die Vorschule nicht nur mit der schönsten Krone der Welt, sondern mit dem Anfang einer Freundschaft, die mich nun seit mehr als drei Jahrzehnte durch die Höhen und Tiefen meines Lebens begleitet.
Hofpausen, Schule schwänzen, Verliebtsein, der erste richtige Herzschmerz, Partys bis spät in die Nacht, Studium, Ausland, Jobs, der Mann fürs Leben, Tod, Kinder, Erwachsenwerden. Unzählige Telefonate, Briefe und WhatsApp Nachrichten…all das und noch so vieles mehr verbindet uns.
In Genesis 2.18 heißt es: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm jemanden zur Seite stellen, der zu ihm passt!«
Wir Menschen sind Beziehungswesen. Von Anfang an.
Beziehungen und die Suche nach ihnen sind tief in unserer DNA verankert.
Zugegeben manche Menschen sind extrovertierter als andere. Manche von uns brauchen es laut und trubelig – am besten immer viele Menschen um einen herum. Und anderen reicht es, wenn es diese eine verlässliche Person in ihrem Leben gibt. Die, die man auch nachts um drei anrufen kann.
Egal in welcher Form, wie tief oder lang - Freundschaften und Beziehungen machen das Leben reich. Sie machen es auch kompliziert, anstrengend und herausfordernd.
Doch steckt in ihnen das Potential uns dabei zu helfen in all das hineinzuwachsen, was Gott in uns hineingelegt hat. Zu Menschen zu werden, die bedingungslos lieben, mutig sind und sich was trauen.
Zuhören, geduldig sein, mitfühlen. Wütend sein, miteinander ringen und Vergebung üben. Stille, Trauer und Ohnmacht aushalten – all das geht so viel besser, wenn man ein Gegenüber dazu hat.
C.S. Lewis sagte einmal:
Freundschaft wird in dem Moment geboren, wenn eine Person zur anderen sagt: ‚Was! Du auch? Ich dachte, ich wäre der einzige.‘
Zu erkennen, dass wir nicht die einzigen sind, die ‚so ticken‘ oder sich mit ‚irgendetwas rumschlagen‘, ist einfach ein großartiges Gefühl. Jemanden zu treffen, der im selben Boot sitzt oder die Dinge genauso sieht, ist einfach wundervoll. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um den gleichen Musikgeschmack, die geteilten Werte bei der Kindererziehung oder die gemeinsame Vorliebe für salziges Lakritz handelt.
Wir alle wollen wertgeschätzt und anerkannt werden.
Wir alle wollen gesehen werden. Gesehen werden als die, die wir wirklich sind und dabei zu wissen: ‚Ich bin okay.‘
‚Was! Du auch? Ich dachte, ich wäre die einzige.‘
Ich sehe dich und du siehst mich.
Je mehr ich mir meine Freundschaften anschaue, desto dankbarer werde ich.
Dankbar für die vielen unterschiedlichen Menschen in meinem Leben, für die Blickwinkel, die durch sie auf mich und mein Leben geworfen werden und dafür, dass sie mir ein Fenster zu Gott eröffnen.
So entdecke ich ihn und seine Spuren in meinem und ihrem Leben immer wieder und stelle dabei fest, wie unendlich groß und wunderbar er ist. Nichts ist zu klein und unbedeutend und nichts zu groß und überfordernd für ihn.
In diesem Wissen bastele ich nun erst einmal eine Papierkrone, mache ein Foto und schicke es per WhatsApp an meine Freundin…