Yeah, Selbstliebe
So heißt ein Aufkleber, den ich mal bei einer Veranstaltung mitgenommen habe. Jetzt klebt er an meinem Spiegel.
Spontan muss ich bei Selbstliebe an Jesu Worte denken: Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst. Oft wird das vergessen und ich frage mich, wie das gehen soll. Mir persönlich fällt das schwerer als die Nächstenliebe.
Ich meine damit auch nicht meinen Körper oder mein Aussehen. Insgesamt habe ich gelernt, diese zu mögen. Innerlich sieht das oft anders aus. Wenn mir mal wieder ein Fehler passiert, ich was vergesse, schlägt die Stimme in meinem Kopf zu.
Und dann bin ich über Kendrick Lamar gestolpert. Der US-Rapper ist eh schon gut, schmissig und ernst zugleich, seine Texte sind ausgezeichnet worden. Vor allem sein Lied „I“ hat mich sehr angesprochen.
Hier geht es zum Video. *
Auch wenn Kendrick Lamar mittlerweile sehr erfolgreich ist, hat er nicht vergessen, wo er herkommt: massive Polizeigewalt, Gangs, Rassismus und Drogen. Das Leben einer schwarzen Frau/eines schwarzen Mannes ist wenig wert. Klar, dass das auch das Selbstbild kaputt macht, wenn man eingeredet bekommt, dass man nichts wert sei.
Der Refrain „And I, I love myself“ bleibt sofort im Ohr hängen und geht mir somit auch im Alltag nach. (Den Text zum Nachlesen findest du hier.)
Lamar setzt dem geringen Selbstwertgefühl etwas entgegen: inmitten von Raps über den Unsinn der Polizeigewalt singt er, dass er sich selbst liebt. Dabei thematisiert er auch seine Depression und singt darüber, dass er durch die Hand Gottes erleuchtet wurde. Das kommt leicht und vor allem ehrlich rüber. Dem Lied spüre ich einen Frust ab, der tiefgeht – aber eben inmitten dessen auch die Entscheidung, sich selbst zu lieben, sich selbst dadurch freizusetzen.
Meine Umstände als eine weiße Frau sind andere, ich muss nicht befürchten, aufgrund meiner Hautfarbe angegriffen zu werden. Lamar schafft es in dem Lied eine Würde aufzubauen, die nachgeht. Und umso schwerer fällt es mir, mich zu mögen: Yeah, wieder vergessen, eine Rechnung zu zahlen: Zack, erwischt: Neidgefühle. Da hat jemand was, wonach ich mich schon jahrelang sehne. Och nee, ich will gerade nicht mit der Person mir gegenüber reden, weil ich genervt von ihr bin.
Meine Fehler, den Neid, den ich in mir trage, das Ungehaltensein, das, was mich nervt, meine Ticks, meine Schwächen – das ist auch Teil meines Selbst. Mir selbst vergeben, mich so annehmen? Das ist hart. Es zeigt aber auch, dass ich in diesen Kämpfen nicht alleine bin – weil ich Mensch bin!
Oft versuche ich dann Gott vorzustellen. Einen Blick voller Gnade, Erbarmen, mit einem Schmunzeln um die Augen und weiten Armen. Dann merke ich, dass der Weg vor mir noch ein weiter ist, aber auch einer, der nicht alleine passiert – begleitet von lieben Menschen, Kendrick Lamar und natürlich dem Aufkleber.
*Ich nehme hier Bezug auf die Albumversion. Die Singleversion steht dem aber in nichts nach, textlich leicht abgeändert, leicht anderer Fokus. Das Video dazu macht auch Freude.