Mich fasziniert die Frage, wie sich der Zweifel zum Glauben verhält. Sind Zweifel und Glaube Gegenteile und man zweifelt entweder oder man glaubt? Oder sind Zweifel und Glaube die zwei Pole eines Kontinuums und man befindet sich irgendwo dazwischen? Je nach Lebenssituation mal etwas näher am Glauben und mal etwas mehr am Zweifel?
Ich habe - das schiebe ich mal vorweg - keine endgültige Antwort auf diese Fragen. Aber ich bin auf zwei Dinge gestoßen, die mich im Hinblick darauf inspiriert haben.
1. Laserpointer. Ursprünglich wurden die bestimmt erfunden, um Katzen zu ärgern, aber die können noch mehr. Wenn ihr damit auf eine Wand zielt, erscheint ein kleiner roter Punkt, wo der Laserstrahl auf die Wand trifft. Macht das mal vor Publikum und haltet den Laserpointer so, dass man nicht sehen kann, ob ihr gerade auf den Knopf drück. Wenn ihr dann noch auf eine Stelle an der Wand zielt, die das Publikum nicht sehen kann, wird niemand wissen, ob der Laser gerade an ist, obwohl der Lichtstrahl direkt vor aller Augen durch den Raum saust. Warum? Das Licht wird für uns erst dort sichtbar, wo es auf ein Hindernis trifft und daran reflektiert wird. Dort sehen wir das Leuchten.
2. Perlen. Wisst ihr wie eine Perle entsteht? Also eine echte Perle, nicht die aus Plastik. Sie entsteht, wenn ein Parasit in eine Perlauster gelangt und mit etwas Mantelgewebe, das direkt unter ihrer Schale sitzt, in die Auster eindringt. Das Mantelgewebe bewirkt, dass der Parasit wieder und wieder mit einer Perlmuttschicht überzogen wird. Der Parasit stirbt dadurch und der Auster droht keine Gefahr mehr. Und die vielen Perlmuttschichten bilden am Ende die wunderschöne Perle.*
Hängen Glaube und Zweifel vielleicht so zusammen, wie die Wand und der Laserstrahl? Macht Zweifel vorhandenen Glauben sichtbar, weil er ihn zum Leuchten bringt? Oder ist es wie bei der Perle? Würde Glaube ohne Zweifel vielleicht gar keinen Anlass haben, sich weiter zu entwickeln?
In beiden Fällen wären Glaube und Zweifel nicht ein „entweder – oder“, sondern ein verwobenes Miteinander.
Aber traue ich mich, das zu glauben? Und, wenn ja, was antworte ich Menschen, die von sich selbst sagen, dass ihr Glaube am Zweifel „zerbrochen“ ist? Ich denke, wir sollten öfter mutig sein und Glaube und Zweifel nicht als grundsätzlich entgegengesetzte Dinge sehen. Sondern als zwei sich ergänzende Arten der Wahrnehmung von Gott und der Auseinandersetzung mit ihm.
Wie in vorherigen Artikeln schon erwähnt, fotografiere ich gerne. Natürlich auch den einen oder anderen Sonnenuntergang. Dieser Moment, wenn die leuchtend rote Sonnen hinter dem Horizont verschwindet und die Nacht anbricht ... Genau das ist der Moment, an dem ein Fotograf in Japan dieselbe Sonne sieht, wie sie sich langsam über den Horizont erhebt und mit ihren ersten Strahlen der Tag anbricht. Wir beide beobachten dasselbe Ereignis, dieselbe Sonne. Für den einen wird es Nacht und er nennt es Sonnenuntergang. Für den anderen bricht der Morgen an und er nennt es Sonnenaufgang.
Vielleicht ist es mit Glaube und Zweifel ja auch so.
Vielleicht sind sie auf geheimnisvolle Weise zwei menschliche Blickwinkel auf Gott.
Vielleicht geht es um etwas Größeres, um das „In-Beziehung-sein-mit-Gott“. Und Glaube und Zweifel sind zwei verschiedene Modi, wie diese Beziehung in unserem Leben Gestalt annimmt.
* https://www.planet-wissen.de/natur/schmuck/perlen/index.html